Doping – nicht nur ein Problem im Radsport

Hans-Michael Holczer, Radsportmanager und einstiger „Gerolsteiner“-Teamchef, im Feuerwehrhaus Stetten

Waiblinger KreiszeitungSo doppelbödig wie der Titel seiner Memoiren „Garantiert positiv – Mein Leben für den Radsport“ verlief auch die Karriere Hans-Michael Holczers, einst Manager im Team Gerolsteiner. 40 Feuerwehrmänner in Stetten hörten vom ehemaligen Realschullehrer, dass Doping im (Rad-)Sport verankert ist – und wie sehr dieser Sport dennoch faszinieren kann.

Hans-Michael Holczer, den der Stettener Feuerwehrkommandanten Andreas Wersch auf einem Lehrgang kennenlernte, hätte schon 2011 im Feuerwehrgerätehaus über das Thema Doping referieren sollen. Doch damals engagierten ihn die Russen als Generalmanager für das international renommierte Radsportteam Katusha, wo er über einen noch höheren Etat verfügen konnte als bei den Gerolsteinern, die unter seiner Leitung noch erfolgreicher als das Team Telekom wurden. Bis einige Dopingfälle ihnen die Karriere beendeten. Und Holczer, der eigentlich als strenger Anti-Doping-Aktivist galt, in Verruf brachten. Bis heute ist für ihn die Casa Stefan Schumacher, der vor Gericht behauptete, Holczer habe doch so einiges gewusst, nicht ausgestanden. Wenngleich er beispielsweise behauptet, erst bei Beckmann im Ersten vom Profi Bernhard Kohl erfahren zu haben, dass ein Arzt im Team Dreck am Stecken hatte.

Eine brisante Persönlichkeit, die Andreas Werschs Feuerwehrler zum einen deshalb für ihre erste offizielle Veranstaltung in 2014 nach Stetten holten, „weil wir ohnehin gerne über den Tellerrand blicken“, so Wersch. Und eben auch, weil er Holczer persönlich kennt und dessen Geschicke deshalb auch immer mit besonderem Interesse in den Medien verfolgt hat. So wie Bürgermeister Stefan Altenberger, laut Wersch ebenfalls „ein Radsportler, der demnächst auf die Tour de France in unsere Partnerschaftsstadt geht“. Der Kommandant selber würde ja gerne mitfahren, wie er unter lautem Gelächter der Kameraden behauptete, sei aber leider verhindert.

Wusste Holczer nun doch Bescheid oder nicht? Wie denn, behauptet er, hätte er wissen sollen, „ob einer bescheißt“, bei einem Profiteam, dessen Fahrer über ganz Europa verteilt waren, ein Team, das quasi ständig unterwegs ist und „immer an seiner physischen und psychischen Leistungsgrenze“ stehe, wegen permanenter Ansprüche vonseiten der Öffentlichkeit, des Sponsors, der eigenen Mannschaft. „Eine Mischung aus Spedition und Kindergarten“, Letzteres eben wegen des Stresses, der auch starke Männer schwach werden lasse. Wenngleich „die Unmenschlichkeit der Leistung“ denn doch gelegentlich übertrieben werde und er einen Tour-de-France-Gewinn auch ohne Doping für möglich halte.

„Schreiende Ungerechtigkeit“

ZVW 03.02.2014All das klingt dennoch so, dass Doping naheliegend sei, auch weil „Sie davon ausgehen können“, so Holczer, „dass bei einer derartigen körperlichen Leistung überall manipuliert wird“. Aber, bitte, nicht nur im Radsport, aus dem sich 2007 das Fernsehen plötzlich ausgeklinkt habe – für Holczer eine schreiende Ungerechtigkeit, weil die ehrliche Konsequenz dann sein müsse, allen Sportarten Sendeschluss zu bereiten.

Zumal gerade der Radsport eine besondere Faszination ausübe, wie Holczer anhand vieler Fotos bewies: von Fans der Tour de France in den Pyrenäen und einer Fankultur, „die vorbildlich für alle Sportarten sein könnte“; von der Radkolonne auf dem Champs Elysees; von Pressekonferenzen mit 150 Journalisten bei Gerolsteiner in der Eifel, wo sonst der Hund begraben ist; nicht zuletzt vom riesigen Promi-Aufgebot, das dem Sponsor erhebliche Werbevorteile verschaffte; von den blitzend-bombastischen Tourbussen, in denen sein Team durch die Länder fuhr, sein ganzer Stolz. Er hat sie danach an die Russen weiterverkauft..

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 03.02.2014 / Text: Michael Riediger